Berlin - Nur ein paar Lkw, drei Taxis, mehrere Kleintransporter sowie ein Dutzend Autos und Motorräder rollten am Samstagmittag zum Brandenburger Tor – der Protest gegen Sozialdumping in der Verkehrs- und Logistikbranche fiel damit weit geringer aus als erwartet.

Teilnehmer, die teils von weit her angereist waren, zeigten sich enttäuscht. Einige demonstrierten mit Transparenten an den Fahrzeugen für  bessere Arbeitsbedingungen für Lkw- und Taxifahrer. „Arm trotz Arbeit“, stand darauf, „Vom Traumberuf zum Albtraum“ und „Wir wollen von unserer Arbeit leben, nicht von Hartz IV“.

Beteiligung geringer als erwartet

Erwartet worden waren mehrere Hundert Fahrzeuge. Zu dem Protest aufgerufen hatten die Kraftfahrer-Clubs Deutschland e.V. und weitere Organisationen, darunter auch der Berliner Taxibund und die AG Taxi bei Verdi. Die Brummi- und Taxifahrer fuhren aus vier Himmelsrichtungen zum Brandenburger Tor. Dass die Beteiligung so gering ausfiel, habe wohl auch damit zu tun, dass kaum eine Firma ihre Lkw für so einen Protest ihrer Fahrer zur Verfügung stelle, sagten einige der insgesamt etwa 100 Demonstranten, die sich gegen 12.30 Uhr zur Kundgebung vorm Tor versammelten. Doch so mancher hätte ja dennoch mit seinem Privat-Fahrzeug oder zu Fuß kommen können, ärgerte sich der Kleinmachnower Klaus-Jürgen P.: „Auf den Autohöfen und Raststätten, überall diskutieren sie, wie dreckig es ihnen geht, und dann haben sie keinen Arsch in der Hose.“

Der 57-Jährige war bis vorige Woche Lkw-Fahrer. Er sei entlassen worden, weil er sich geweigert habe, gesetzlichen Vorschriften zu den Arbeits- und Ruhezeiten zu missachten, erzählte er. Seit 2000 habe er in dem Job gearbeitet. Manche Anforderungen an die Fahrer seien nicht mehr machbar: „Ich sollte dreimal in der Woche Berlin-Antwerpen fahren. Das ist einfach nicht zu schaffen.“

„Ich kann von dem, was ich verdiene, nicht leben“, sagte Norm Janke, Fahrer bei einem Bochumer Umzugsunternehmen. Seit 1996 arbeite er als Fahrer. „Seitdem ist die Situation immer schlechter geworden.“ Silke Block aus Nürnberg erzählte, früher hätten sie und ihr Mann von seinem Gehalt als Trucker leben können. Mittlerweile fahre sie selbst einen Zwölftonner.

Arbeitsplätze verlagern sich von West- nach Osteuropa

Ursachen für die Probleme im Transportgewerbe seien die EU-Liberalisierung, billige Konkurrenz-Unternehmen aus Osteuropa, zuletzt vor allem Speditionen aus Rumänien und Bulgarien, sowie  unzureichende Kontrollen der gesetzlichen Bestimmungen, hieß es immer wieder. „Wir haben nichts gegen osteuropäische Fahrer, die ja auch nur ihre Familien ernähren wollen“, betonte Silke Block. „Aber die Gesetzgebung muss sich ändern.“

Durch die Liberalisierung würden zunehmend Arbeitsplätze von West- nach Osteuropa verlagert, so Ingo Schulze, Vorsitzender der Kraftfahrer-Clubs Deutschland. Er hat an die Europäische Union geschrieben. In dem Brief heißt es: „Westeuropäische Speditionen gehen nach Osteuropa und ,rekrutieren’ osteuropäische Firmen und Fahrer zu Niedriglöhnen, um sie dann vor allem in Westeuropa einzusetzen.“ Auch mangelhafte Ausstattung, Betrug und Korruption seien verbreitet. Der Verein fordert eine Neuregelung der Kabotage – dem Recht ausländischer Firmen, Transporte in einem anderen Land durchzuführen – sowie Maßnahmen gegen Sozialdumping und bessere Kontrollen.

Zu viele Taxis in Berlin

Neben den Brummifahrern beteiligten sich einige Berliner Taxifahrer an dem Protest. In Berlin liege der durchschnittliche Bruttostundenlohn der Taxifahrer bei 5,37 Euro, sagte Burkhard Zitschke, Fahrer und bei der AG Taxi von Verdi. Jetzt komme zwar bald der Mindestlohn von 8,50 Euro, doch damit seien die Probleme nicht gelöst. Denn es sei unklar, wie ein solcher Lohn erwirtschaftet werden könne. Es gebe zu viele Taxis in Berlin. Der Senat müsse hier mehr regulieren und kontrollieren. „Wir fordern, dass der Senat eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung in Auftrag gibt, um festzustellen, wie viele Konzessionen der Markt verträgt“, so Zitschke.