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Interessenausgleich (IA) - das Kleingedruckte

by Alcatel-Lucent posted on 05.06.2008 17:43 last modified 05.06.2008 22:53 —

Was beinhaltet der IA noch? Hat der GBR etwas für uns Kollegen herausgeholt oder nutzt die Vereinbarung wohl nur der Geschäftsleitung? Wie soll man mit einer „betriebsbedingten Änderungskündigung“ umgehen?

Was beinhaltet der IA noch?

Abschnitt I

Viele Bereiche des IAs (Intranet) sind ziemlich belanglos. Abschnitt I beschreibt den Personalabbau wie er ursprünglich vorgesehen war. Zum Schluss des Abschnitts haben die „Arbeitnehmervertreter“ das Wort, um zu erklären, daß die beabsichtigen Maßnahmen „eine Konzeption ohne Zukunftsaussichten“ seien.

Das war's aber auch schon. Alternativvorschläge der Arbeitnehmervertretung fehlen komplett. Wenn eine „Betriebsänderung“ ansteht, dürfen der Gesamtbetriebsrat (GBR) oder die Betriebsräte (BR) auf Kosten der Firma Sachverständige einsetzen. Wir können uns nicht daran erinnern, dass die Belegschaften jemals aufgefordert wurden, Ideen mit einzubringen. Warum eigentlich nicht?

Abschnitt II

In Abschnitt II ist nachzulesen, wann die Geschäftsleitung informiert hat. Ferner wird die Behauptung aufgestellt, dass der Wirtschaftsausschuss, der GBR und die BRs umfassend beraten und verhandelt hätten. Stimmt das wirklich? Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der vorhanden Informationen bleibt es uns aber leider verschlossen, wie der GBR und die einzelnen Betriebsratsgremien so einen Passus unterschreiben konnten. Vielleicht kann man die Herrschaften schon mit äußerst wenig zufriedenstellen?

Abschnitt III

Abschnitt III ist zum großen Teil überflüssig. Wen interessiert es, wie der Personalabbau aussah? Er ist bereits weitgehend Geschichte. Wesentlich in diesem Abschnitt sind zwei Passagen der Paragraphen:

  1. Grundlagen und Ziele und
  2. Neue Struktur (HC Details nach Bereichen / Betrieben)

Im Paragraph 1 steht tatsächlich, daß die beiden Parteien sich darüber einig seien – die Geschäftsleitung (GL) und die Arbeitnehmervertreter - dass die Kostenstrukturen verbessert werden müssen. Und welche Zielsetzung hat die GL dabei? Geht es wohl „nur“ darum, Kosten zu senken und in 2010 die Entwicklung abzusch(l)ießen?

An dieser Stelle hätten wir nicht nur Floskeln wie „zukunftssichernde Perspektiven“ erwartet, sondern konkrete Schritte, um diese Ziele zu erreichen. Besonders an dieser Stelle fällt auf, wenn es um personelle Maßnahmen wie „betriebsbedingte Änderungskündigungen“ geht, ist der Text sehr präzise, wenn es jedoch um die Zukunft geht, ist er eher vage.

Im Paragraph 2 geht es um die neue Struktur bzw. darum, „die noch offene Personalplanung durchzuführen“.

Die GL hat ein Klima der Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit geschaffen, das dazu führte, dass mehr Leute gegangen sind als geplant war. Fazit: insgesamt sind wir unterbesetzt. Und dann vereinbart die Firma mit dem GBR Zwangsmaßnahmen, ihre Beschäftigten hin und her zu schieben. Rotation nennt man das. Kann irgendjemand die Logik dieses Nonsens mal verständlich machen?

Faktum ist, dass das Freiwilligenprogramm auf doppelte Freiwilligkeit beruhte. Die GL musste jedem einzelnen Auflösungsvertrag zustimmen. Falls die Belegschaftszahl in den Abteilungen nicht mehr stimmte, war es allein die Sache der Manager, diese „Missstände“ wieder gerade zu biegen. Das Management hat es verbockt und die Belegschaft sollte nicht die Suppe dafür auslöffeln müssen.

Abschnitt IV

Kern dieses Abschnittes ist der erste Paragraph. Hier wird geregelt, dass betriebsübergreifende Versetzungen und Änderungskündigungen möglich sind.

Um derartiges zu vereinbaren, müssen die Betriebsparteien entweder realitätsfremd gewesen sein oder die GL möchte/will/wird/könnte hinten herum doch noch betriebsbedingt kündigen.

Die Chancen, dass Beschäftigte bereit sind, sich von einem Standort zum anderen versetzen zu lassen, ist in der Regel gering. Von heute auf morgen hunderte Kilometer von zu Hause weg, neu anfangen zu müssen, ist wahrlich nicht einfach oder unpraktikabel. Entweder werden die Betroffenen selbst kündigen oder sich kündigen lassen. Die Allerwenigsten werden das „Angebot“ eines neuen Arbeitsplatzes in einer anderen Stadt unter Vorbehalt annehmen und deshalb die Änderungskündigung gerichtlich prüfen lassen.

Warum hält die Firma es für nötig, Änderungskündigung aussprechen zu können? Unsere Idee dazu: sie will an das Gehalt. Jede Firma kann ihre Leute versetzen, auch wenn der BR dagegen ist. Sie muss nicht die Zustimmung des Betroffenen oder des BRs haben. Falls der BR nicht zustimmt, gibt es womöglich eine gerichtliche Auseinandersetzung aber sie dauert eventuell lange und die Fakten sind längst geschaffen.

Die Argumentation mancher Betriebsräte ist an dieser Stelle wenig überzeugend. Behauptet wird, dass die GL Änderungskündigungen eigentlich gar nicht plant oder sich nicht traut, sie auszusprechen. In beiden Fällen ist diese Argumentation wenig überzeugend. Warum hat die GL es dann überhaupt in den IA aufgenommen, wenn sie es nicht verwenden will? Plausibel wäre nur die Argumentation, dass die GL damit drohen könnte, um ihre Beschäftigten gefügig zu machen.

In diesem Abschnitt findet man auch noch ein paar merkwürdige Absätze. Zum einen wird eine „Freistellung zur Arbeitssuche“ vereinbart. Wahrscheinlich hat man diese Formulierung auserkoren, um bei etwaigen Änderungskündigungen darauf zurückzugreifen. Zum anderen wird im Paragraph 5 „Mehrarbeit“ definiert und diese gibt's sogar mit dem Segen des GBRs! Es ist nicht zu fassen! Zuerst werden Zwangsmaßnahmen vereinbart und dann gibt es auch noch die Notwendigkeit von Überstunden. Uns fehlen die Worte...

Abschließend noch der Paragraph 7, der uns auffällt. Einen Sozialplan braucht man in der Regel, wenn eine Firma kündigt. Dort werden die Abfindungen geregelt. Wozu braucht die GL diesen Absatz, wenn das Unternehmen unterbesetzt ist?

Änderungskündigungen – wie geht man damit um?

Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung eines Arbeitsplatzes verbunden mit dem Angebot, einen neuen Vertrag abzuschließen, um es zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.

Sie ist eine Kündigung wie jede andere. Der Betriebsrat muss gehört werden und ob sie „sozial gerechtfertigt“ war, kann der Betroffene gerichtlich prüfen lassen.

Wir gehen davon aus, dass zuerst mit einer Änderungskündigung gedroht wird und falls man nicht nachgibt, wird eine Kündigung erfolgen.

Wir schlagen folgende Vorgehensweise vor:

  1. Im Fall von Drohungen ist es wichtig, sich nicht vereinzeln zu lassen. Mehrere werden gleichzeitig betroffen und es ist gut, wenn die Betroffenen sich zusammen tun. Hier im Netz kann man die Tatsache der Drohung anonym bekannt machen und die ersten Treffen organisieren.
  2. Wenn die Firma es ernst meint, muss der Betriebsrat angehört werden. Dafür gibt es einen guten Fragebogen zur Vorbereitung der Anhörung. Der Betriebsrat soll Dich auch anhören. Bestehe darauf!
  3. Falls es zu einer Änderungskündigung kommt, sollte man ihn unter Vorbehalt annehmen und die Kündigung gerichtlich prüfen lassen.
  4. Sowohl vor als nach der Kündigung ist es wichtig, sich zusammenzutun und hier eine Öffentlichkeit herzustellen. Die Firmen mögen keine schlechte Presse und sie sind öfter bereit, von solchen Kündigungen abzusehen, bevor sie in der Öffentlichkeit schlecht dastehen. Die Geschichte von NCI und MAN zeigt, dass man einzeln und gleichzeitig kollektiv erfolgreich gegen Kündigungen vorgehen kann.

Resümee

Dieser Interessenausgleich ist ein weiteres trauriges Kapitel in einer traurigen Geschichte eines sinnlosen Personalabbaus.

Allein durch die Geschichte von Lucent wissen wir, wie man eine Firma kaputt sanieren kann. Das, was wir im letzten Jahr erlebt haben, ist für viele von uns nichts neues.

Die Abbauzahlen werden von oben angekündigt und dann wird versucht, Begründungen für eine Umsetzung der weitergegebenen Zahlen zu erfinden. Anschließend gab es den Personalabbau, der soviel Schaden anrichtete, dass die GL sich gezwungen sah, ihn zu begrenzen. Dies fand seinen Ausdruck im sogenannten Eckpunktepapier.

Dieser Interessenausgleich ist eine Regelung, die dokumentiert, dass der Vorstand noch eine Firmenstruktur erreichen will. Egal ob es Sinn macht oder ob er weiteren Schaden damit anrichtet.

In so einer Situation hätte man von unseren Interessenvertretern mehr erwarten können. Uns ist zwar klar, dass sie bei einem Personalabbau wenig ausrichten können, aber etwas mehr wäre durchaus drin gewesen.

Diesen Interessenausgleich hätte es nicht geben müssen. Kein Gericht hätte ihn erzwingen können. Die Vereinbarung ist nur freiwillig. Daher ist es mehr als unverständlich, dass für die KollegInnen so gut wie nichts herausgesprungen ist. Der Interessenausgleich soll Interessen ausgleichen.

Und wo aber ist unser Ausgleich geblieben?

Das Argument, dieser IA sei ein Kompromiss, ist wenig überzeugend. Tatsache ist, der GBR, und etwas später auch die Betriebsräte, haben dieser Vereinbarung zugestimmt. Somit sind sie mit den Inhalten wohl einverstanden - wenn auch nur moralisch.

Wir können nur hoffen, nein, wir erwarten, dass die Betriebsratsgremien allen Änderungskündigungen ordentlich widersprechen und allen Versetzungen nur dann zustimmen, wenn die Betroffenen mit der Versetzung einverstanden sind oder sie veranlasst haben!

In Zukunft erwarten wir, dass der GBR damit aufhört, Geheimrat zu spielen. Was insgeheim vereinbart wurde, läßt sich weder kontrollieren noch überprüfen. Es zeugt außerdem von einem Misstrauen der Belegschaft gegenüber.

Die Delegierten des GBR sollten nicht vergessen, dass solches Misstrauen auch in die andere Richtung gehen kann.

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