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Erklärung des Komitees "Solidarität mit Emmely" - Berufung angekündigt

erstellt von dave — zuletzt verändert: 13.12.2008 19:21
Emmelys Kuendigungsschutzklage abgewiesen; Kritik der Rechtsprechung als Abweisungsgrund; gekündigte Kassiererin wird Berufung einlegen*

Heute fand die Beweisaufnahme im Kündigungsschutzverfahren von Barbara E., genannt "Emmely", vor einem Publikum von mehr als 100 Personen und der zweiten Kammer des Berliner Arbeitsgerichts statt. Danach verkündete Richter Axel Schleusener im Namen des Volkes, dass die Kündigungsschutzklage abgewiesen wird. Drei Mannschaftswagen der Polizei garantierten Ruhe und Ordnung.

Wir erinnern uns: Emmely arbeitete 31 Jahre als Kassiererin im ersten Arbeitsverhältnis, streikte trotz Einschüchterungen als letzte ihrer Filiale und wurde von Kaiser's unter dem Vorwand des Verdachts, Pfandbons im Wert von 1,30 ? falsch abgerechnet zu haben, fristlos entlassen. Emmely bestritt diesen Vorwurf bis zuletzt.

Der Prozess fand wegen des Andrangs in einem größeren Saal statt, der mit rund 100 Besuchern auch voll wurde. Richter Schleusener belehrte zunächst das Publikum auf welche Weise es artig zu sein habe, was im weiteren Verlauf auch der Fall war.

Danach begann die Beweisaufnahme. Zu insgesamt drei Fragestellungen wurden insgesamt drei ZeugInnen vernommen, die allesamt in der selben Filiale arbeiteten, wie Emmely. Bezeichnenderweise werden Zeugen regelmäßig auf ihre Verwandschaftsbeziehungen zu den streitenden Parteien befragt, ihre Lohnabhängigkeit von der einen Partei aber gar nicht erst thematisiert. Die gesamte Beweisaufnahme muss für Anwesende ohne Hintergrundwissen aus den Schriftsätzen der Parteien im Verfahren zumindest langweilig, wenn nicht unverständlich geblieben sein. Letztlich ging es um die Verschlungenen Wege verschiedener Pfandbons durch die Filiale Hauptstr. 9/10 in Berlin Hohenschönhausen. Die ZeugInnen sagten im Wesentlichen so aus, wie das von ihren (dem Publikum unbekannten) schriftlichen Erklärungen her zu erwarten war -- kein Wunder, mindestens eine Zeugin hielt sich während der Befragung an einer Kopie ihrer schriftlichen Erklärung fest. Die ZeugInnenbefragung war weitgehend unspektakulär. Einziger Höhepunkt war der Moment, als der Anwalt von Emmely eine Frage gegen den Willen der Gegenseite und des Richters durchsetzte. Leider war das nicht die ebenfalls zurückgewiesene Frage nach der Beteiligung an einer Streikbrecherparty...

Entgegen der Behauptung der Anwältin von Kaiser's in der abschließenden Beweiswürdigung hat die Beweisaufnahme trotz der Vernehmung von drei KollegInnen, den behaupteten Tathergang nicht bewiesen. Das war allerdings auch nicht notwendig, da dem deutschen Arbeitsrecht nach herrschender Rechtsprechung an dieser Stelle lediglich ein "begründeter Verdacht" genügt, was Richter und Anwälte beider Seiten gleichermaßen betonten. Damit bestätigten alle Prozessbeteiligten erneut einen Sachverhalt, über den aufzuklären das Komitee "Solidarität mit Emmely" sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht hatte.

In der mündlichen Begründung führte Richter Schleusener aus, für die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung sei nach herrschender Rechtsprechung im Fall einer Straftat die Höhe des Schadens belanglos. Auch darin waren sich bereits während des Prozesses Richter und beide Anwälte einig gewesen. Und auch diesen Punkt hatte das Solikomitee immer wieder öffentlich gemacht.

Bis dahin also nichts Neues. Richter Schleusener führte dann weiter aus: Wenn die Straftat (die Emmely immer noch bestreitet) von der Gekündigten als "schlimm" (Wortwahl Richter Schleusener) an- und eingesehen werde, könne nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in einer Abwägung für die Kündigungsschutzklage entschieden werden. Dies hätte, so Richter Schleusener weiter, die Kammer auch getan und damit der Kündigungsschutzklage stattgegeben, wenn Emmelys Anwalt, Benedikt Hopmann, den Vorgang nicht immer wieder als "nicht schlimm" (ebenso) dargestellt hätte.

Das Komitee "Solidarität mit Emmely" kritisiert diese Begründung in zwei Punkten:

  1. Zum einen forderte der Richter die Gekündigte damit auf, entgegen ihrer Wahrnehmung auszusagen. Denn Emmely bestreitet die Vorwürfe von Kaiser's bis zuletzt und erklärte auch heute wieder, dass ihre Pfandbons abgezeichnet waren (d. h., dass sie nicht betrogen hat).
  2. Zum anderen wird hier die politische Kritik der deutschen Rechtsprechung im Arbeitsrecht zum letzten Grund für die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung. Tatsächlich hatte der Anwalt die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Vertrauensverhältnis immer wieder als Skandal bezeichnet.

Ganz offensichtlich genügte es Richter Schleusener nicht, herrschende Rechtsprechung zu praktizieren, er musste dem überwiegend für Emmely eingenommenen Publikum, dem Solikomitee und dem Anwalt für dessen engagierte Prozessführung noch unbedingt zeigen, wo der Hammer hängt und dass Kritik der herrschenden Verhältnisse und Rechtsprechung extra abgestraft wird.

Besonders frustrierend muss der Prozessverlauf für Emmely gewesen sein. Wieder musste sie den ganzen Quark ertragen, ohne selbst dagegen auftreten zu können. Dieses Problem zieht sich auch durch die Arbeit des Solikomitees. Da es im Prozess letztlich um das ach so fragile Vertrauen des Arbeitgebers in seine Angestellte geht, haben wir unsere gesamte Arbeit ohne Emmely gemacht, um zu vermeiden, dass irgendwelche Äußerungen Emmelys über den Fall oder ihren Arbeitgeber zu ihren Ungunsten in den Prozess eingebracht werden. Emmely war weder auf unserer Veranstaltungen noch den Kundgebungen. Damit haben wir -- völlig bewusst -- die asymmetrische Anordnung der Kontrahenten im Prozess reproduziert. Für die weitere Soliarbeit wird zu diskutieren sein, ob diese Strategie nicht aufgegeben werden kann.

Emmely will in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht gehen.

Das Komitee "Solidarität mit Emmely" wird diese juristische Auseinandersetzung weiter durch Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit begleiten. Das Komitee "Solidarität mit Emmely" berät am 3. September die weitere Arbeit. Neue Ideen, neuer Enthusiasmus und neue Energie werden dringend gebraucht. Wer sich beteiligen will schreibe vor dem 3. September eine E-Mail an: streik@kanalB.org und beschreibe ihre/seine Ideen, Ressourcen und Kapazitäten.

(1) Kommentare

dave 13.12.2008 19:21
Posted by oops at 23.08.2008 11:57

Auch Einzelne können etwas unternehmen. Ein Flugblatt des Solidaritätskomitees gibt es ausdruckbar unter http://labournet.de/branchen/dienstleistung/eh/emmely3.pdf

Jede einzelne mündliche oder schriftliche Protestäußerung gegenüber Kaiser´s/Tengelmann ist ebenfalls hilfreich.