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23.11.2012

Interview mit Gaby Colebunders

von autobauer — Letzte Änderung 23.11.2012 12:20

Am 11.11. während des Marschs in die Zukunft hat Netzwerk-IT ein Exklusivinterview mit Gaby Colebunders geführt. Ihm werden von der deutschen Polizei wegen der Aktion der Kollegen in Köln verschiedene Straftaten wie Landfriedensbruch oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen und er musste eine Nacht auf der Kölner Polizeiwache in Kalk verbringen. Wir sprachen mit ihm über die Aktion in Köln, wegen der er verfolgt wird, über belgische und deutsche Gewerkschaften und über die Perspektiven für den Kampf gegen die Schließung in Genk. Gaby Colebunders ist Betriebsrat bei Ford Genk und Mitglied in der christlichen Gewerkschaft (ACV).

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Netzwerk IT: Wie beurteilt ihr die Aktion am vergangenen Mittwoch in Köln?

Gaby Colebunders: Für uns war die Aktion gut und erfolgreich, denn die Botschaft ist angekommen. Die Fordgeschäftsführung hat immer behauptet, dass die Gewerkschaften in Belgien nicht so stark seien wie in anderen Ländern und dass es deshalb in Belgien nicht so schwer wie in Deutschland oder Spanien wäre eine Fabrik zu schließen. Aber wir haben mit der Aktion gezeigt, dass wir alles bereit sind zu tun und dass wir für jeden Job und jeden Euro streiken werden.

Netzwerk IT: Was genau war das Ziel der Aktion in Köln?

Gaby Colebunders: Das Ziel war wie gesagt, dass wir mit dem Europabetriebsrat sprechen wollten, um zu fordern, dass die Produktion über alle Standorte von Europa verteilt wird.

Netzwerk IT: Habt ihr dieses Ziel erreicht? Konntet ihr mit dem europäischen Betriebsrat sprechen?

Gaby Colebunders: Nein, das konnten wir nicht erreichen, wir haben die europäischen Betriebsräte nicht sprechen können und jetzt sind alle für die nächsten drei Monate in ihre Werke zurückgekehrt.

Netzwerk IT: Wie waren die Reaktionen auf diese Aktion hier in Belgien?

Gaby Colebunders: Wir wurden wie Helden begrüßt, als wir zurück kamen. Die Leute haben gesagt: Ihr habt gezeigt, wer die Gewerkschaft ist und dass was ihr in Köln gemacht habt, müsst ihr auch hier machen, aber zehnmal größer.

Netzwerk IT: Wie war die Reaktion vom Ford-Konzern?

Gaby Colebunders: Sie sind natürlich nicht glücklich damit. Sie haben aber schon gesagt, dass es hier nicht soweit kommen muss. Sie haben gesagt, wir seien erwachsene Leute und sie haben gesagt, sie wollen nächste Woche in Verhandlungen mit uns treten. (Mittlerweile hat sich die europäische Geschäftsführung für den 29.11. in Genk angekündigt)

Netzwerk IT: Wie sah die Unterstützung der dt. Kollegen aus?

Gaby Colebunders: Naja, was wir gesehen haben waren ein paar deutsche Kollegen, die dabei waren, aber der größte Teil wurde durch die Polizei von uns getrennt.

Netzwerk IT: Jetzt haben wir ja am 11.11. noch eine weitere Demonstration erlebt hier in Genk, bei der auch deutsche Kollegen mitgemacht haben.

Gaby Colebunders: Ja, fünfhundert Deutsche sind gekommen, aber ich hatte nicht die Möglichkeit viel mit ihnen über die Schließung zu reden. Also, die fünfhundert Kollegen sind solidarisch. Aber wir müssen sehen, wie wir daraus ein stabiles Fundament für weitere Gespräche und Solidarität machen können.

Netzwerk IT: Waren noch andere Kollegen außer den deutschen da?

Gaby Colebunders: JA schon gestern (10.11.) waren Kollegen aus Valencia zu Besuch, mit denen konnten wir uns auch unterhalten und einige gute Dinge besprechen.

Netzwerk IT: Auch aus Frankreich?

Gaby Colebunders: Ja, aus Paris, aber nicht von Ford, sondern von Peugeot.

Netzwerk IT: Ford ist ein großer Konzern, mit Standorten in vielen Ländern. Wie kann man sich gegen einen solchen Konzern wehren?

Gaby Colebunders: Nur alle zusammen, sonst klappt es nicht. Und man darf sich nicht gegeneinander aufhetzen lassen, weil sie das wollen. Wir dürfen den europäischen Betriebsrat nicht nur ökonomisch arbeiten lassen, sondern auch sozial, und das geht nur zusammen.

Netzwerk IT: Wie sehen die Pläne mit den spanischen Ford- und den französischen Peugeot-Kollegen in der Zukunft aus?

Gaby Colebunders: Wir stehen in Kontakt und werden uns die Entwicklung der nächsten Monate ansehen. Mit den Kollegen aus Valencia haben wir zum Beispiel gesprochen, es ist noch nicht sicher, ob alles funktioniert, aber wir wollen gemeinsam einen Block bilden bestehend aus Valencia, Genk und England.

Netzwerk IT: Was ist mit den deutschen Kollegen?

Gaby Colebunders: Ja, das ist schwierig. Wir haben zwar eine Gruppe von IG Metallern, die uns unterstützen. Die begreifen, dass wir zusammen in Europa kämpfen müssen. Aber wir haben das Problem, dass von der IG Metall wahrscheinlich ganz wenig kommen wird.

Netzwerk IT: Wie können die nächsten Schritte für einen gemeinsamen Kampf mit allen Kollegen international aussehen?

Gaby Colebunders: Mindestens ein Streiktag, am selben Tag in ganz Europa.

Netzwerk IT: Vor zwei Jahren gab es ja hier im Genker Werk einen freiwilligen Lohnverzicht von 12% durch die Gewerkschaft, um eine Standortgarantie zu erreichen. Welche Rolle haben darin die belgischen Gewerkschaften gespielt?

Gaby Colebunders: Die Gewerkschaften haben vollkommen alleine gehandelt, mit den Leuten an der Linie wurde überhaupt nicht kommuniziert. Also die Kollegen an der Basis konnten überhaupt nichts zu dem Thema sagen. Die Gewerkschaft hat damals gesagt, lieber eine kleine Diktatur als eine große Demokratie. Die Basis ist damals ziemlich verrückt geworden und das hat den Gewerkschaften nicht gut getan.

Netzwerk IT: Was war jetzt die Reaktion darauf?

Gaby Colebunders: Die Leute sagen „Ihr habt uns verkauft, und jetzt wird das Werk doch geschlossen!“. Die alten Leute in der Gewerkschaft sind jetzt zur Seite getreten und „neue, alte“ Leute sind jetzt nach oben gekommen.

Netzwerk IT: Man sieht ja gerade, dass es eine richtige Autoabsatzkrise geben wird: Ford Genk, Southhampton, aber auch Opel Bochum - viele Werke sollen geschlossen werden oder sind davon bedroht. Aber auch in der Stahlindustrie, in Duisburg soll zum Beispiel ein Schienenwerk (TSTG) geschlossen werden. Wie beurteilst du die Krisensituation?

Gaby Colebunders: In der Automobilbranche ist die Lage so,dass Überkapazitäten da sind. Wir produzieren viel mehr Autos, als wir verkaufen. Aber ist es deswegen notwendig die Werke zu schließen? Und wenn man die Werke schließt, wer soll dann noch einen Ford kaufen? Bei einem geschlossenen Werk, kann sich hier niemand mehr einen Ford für 21.000 Euro und mehr kaufen. Also es ist ein wichtiges Problem, dass die Kaufkraft nicht weiter absinken darf.

Netzwerk IT: Wenn du noch ein letztes Wort an die Kollegen in Köln oder an alle streikenden und nicht-streikenden Arbeiter in Deutschland richten könntest, was würdest du ihnen sagen?

Gaby Colebunders: Es ist wichtig, dass wir jetzt den Kapitalismus anzweifeln. Denn er hat versagt. Wir müssen jetzt als Arbeiter unsere Rechte ergreifen und zusammen als Europa Arbeit für den sozialen Aspekt machen. Das ist hier ein großes Problem, denn wir sehen nur was mit uns selber passiert, aber wir müssen weiter sehen, wenn wir Europa noch eine Möglichkeit geben wollen. Heb deine Faust und nimm dir deine Rechte!