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Veranstaltung zum Thema „Betriebsschließungen, Verlagerungen und der Kampf dagegen am Beispiel AEG Nürnberg, BSH Berlin und Nokia Bochum“

erstellt von Forum Berlin zuletzt verändert: 16.08.2008 09:53
Protokoll, Februar 2008

Protokoll der Veranstaltung am 26.2.08 zum Thema „Betriebsschließungen, Verlagerungen und der Kampf dagegen am Beispiel AEG Nürnberg, BSH Berlin und Nokia Bochum“

Bei der Veranstaltung am 26.2.08 in der Medien Galerie waren ca. 20 Leute gekommen, die Referenten waren KollegInnen von AEG Nürnberg, BSH Berlin außerdem wurde über einen Besuch bei Nokia Bochum berichtet.

Zunächst über den Kampf bei AEG: 2005 arbeiteten in Nürnberg 1750 KollegInnen, viele MigrantInnen und ca. 1/3 Frauen. Ca. 70% waren gewerkschaftlich organisiert. Im Sommer 2005, nachdem klar wurde, dass Electrolux das AEG-Werk in Nürnberg schließen will, begannen die Aktivitäten. Vom Sozialforum Nürnberg aus (breites Bündnis verschiedenster Organisationen von grüner Jugend, Attac bis hin zu Autonomen und Kommunist/Innen) wurde die AG „AEG bleibt“ gegründet. Außerdem wurde von AEG Kollegen mit Unterstützung durch das Netzwerk IT das Projekt „Druckwächter“ gegründet. Anlass war, das Internet auch für die gewerkschaftlichen und betrieblichen Kämpfe zu nutzen; also den Austausch von Kollegen und die Information der Bevölkerung..

Es gab in der Stadt eine Reihe an sehr kreativen Aktionen, Kräfte der radikalen Linken verteilten z.B. im Stadtteil um AEG Flugblätter in die Briefkästen, es gab Wandzeitungen, Aufkleber, Graffitis, Flyer... (** Anmerkung d. Prot.: im Internet gibt es unter http://www.redside.tk u.a. die Broschüre der Gruppe „Radikale Linke“ zum Kampf bei AEG, wo eine Menge der Aktionen und Bilder auch noch mal veröffentlicht sind**) Im Werk gab es in der Zeit Warnstreiks, Bummelstreiks, es kam zu Arbeitsausfällen aufgrund von vielen Krankmeldungen, Betriebsversammlungen, nach denen KollegInnen nach Hause gingen, Stromausfälle in der Produktion, Defekte an Bändern etc...

Um den Druck auf AEG zu erhöhen startet das Sozialforum die Boykottkampagne „Jobkiller Electrolux – ich kaufe Nix!“. Dieser Boykott kam sehr gut in der Bevölkerung an, in der Fußgängerzone standen die Leute teilweise Schlange, um zu unterschreiben. Im Januar 2006 beginnt der offizielle IG Metall-Streik für einen Sozialtarifvertrag. Kurz vorher gabs bei Infineon Aktionen, die mit nem USK-Einsatz beantwortet wurden. Also die Metall wollte bei AEG keinen Streik, er wurde nur geführt, um den Kampf abzubrechen. Ende Februar dann der Streikabbruch. Es wird bekannt, dass in Geheimverhandlungen schon beschlossen wurde, das Werk zu schließen, die Kosten wurden ebenfalls vorher veranschlagt und der Sozialtarifvertrag bleibt genau innerhalb dieser von Electrolux vorher kalkulierten Kosten. Das Ende des Streiks ist manipuliert. Das Ergebnis wird vor der Urabstimmung seitens des IGM Streikleiters Wechsler verkündet. Die KollegInnen verlangen Aufklärung und Klarheit über den Sozialtarifvertrag und die Vorruhestandsregelungen. Die Gewerkschaft beginnt die Streikzelte abzubauen. Es werden Zettel für die Urabstimmung vorgelegt, auf denen gedruckt steht, dass eine Stimmabgabe mit Ja (für Ende) seitens der IG Metall empfohlen wird. Die Auszählung macht Wechsler persönlich. Mitgliedern der Tarifkommission wird die Teilnahme verweigert. Vor Ende der Auszählung wird das Ergebnis bereits bekannt gemacht. Die später veröffentlichen Zahlen stimmen nicht überein.

Der BR unterschreibt einen Interessenausgleich, der nach Lage der Dinge offenbar auch Auswahlkriterien für die Entlassungen festschreibt. (muss er nicht nach Betriebsverfassungsgesetz... also faktisch wird für ne reibungslose Abwicklung gesorgt). Die Kollegen werden weiterhin nicht informiert, den Kündigungen wird nicht widersprochen. Ende März 2006 erhalten 580 KollegInnen ihre Kündigung für Juli 2006. Bis zur Schließung von AEG Nürnberg im März 2007 gibt es weiterhin passiven Widerstand, wie z.B. kollektive Krankheiten.

Der andauernde Boykott kostet Electrolux 25% Marktanteil in Deutschland. Das Werk in Polen z.B. kommt nicht zum Laufen, AEG musste eine große Rückrufaktion für 18.000 Geräte starten, da es massive Fehler gab. AEG musste in Nürnberg Leiharbeiter einstellen, um zu versuchen, die Produktionsausfälle auszugleichen. Es wurden Waschmaschinen an Kollegen verschenkt, es gab Anwesenheitsprämien... die Aktionen und der Boykott führen schließlich dazu, dass erstmals Electrolux eine Standortgarantie unterschreibt: AEG-Werk in Rothenburg bleibt bis 2013.

Zu BSH:

Seitens BSH-KollegInnen wurde noch mal in unsrem Forumstreffen über den Streik und die Besetzung beim Bosch-Siemens-Hausgeräte-Werk in Berlin-Spandau berichtet: Was war anders bei BSH.... klar ist, Schließungen etc. kommen nicht von heute auf morgen. Das wissen die Gesamtbetriebsräte und die Gewerkschaftler, die in den Aufsichtsräten sitzen in der Regel schon vorher. Trotzdem geht’s erst immer nach der offiziellen Ankündigung ab. Als die Schließungsankündigung bei BSH kam, haben die Kollegen diskutiert, was macht man, was man nicht schon gemacht hat (Autokorso, Demos etc.)... also wie kann man legal die Produktion verhindern, so dass Siemens unter Druck gerät. Also kam die Idee der mehrtägigen Betriebsversammlung. Es war schwierig diese zu organisieren, worüber redet man den ganzen Tag, bzw. in dem Fall 16 Tage. Es wurden Filme gezeigt aus anderen Werken, von anderen Aktionen, Infos, Schulungen zum Thema Hartz 4, Streikfilme, andere Kollegen wie z.B. die von Infineon wurden eingeladen. Dann ging der Streik los. 90% der Kollegen hatten bisher keine Streikerfahrungen, es wurde sich mit den zuvor abgewickelten Kollegen von CNH beraten. Die Tore wurden besetzt, beim "Marsch der Solidarität" besuchten die BSH'ler andere Industriebetriebe, u.a. auch AEG. Es wurde während des Marsches nicht geschafft mit anderen Kollegen direkt Kontakt aufzunehmen. Also die Funktionäre haben gesprochen und dann wurde abgereist (wobei die Logistik in der Hand der IG Metall war, also es so auch kam, dass z.B. durch Acker und menschenleere Gegenden demonstriert wurde). Es wurde zu einer gemeinsamen Kundgebung vor der Siemenszentrale in München aufgerufen. Fast einen Monat dauerte hier der Streik. Am Ende stimmten nur ein Drittel der Belegschaft für das "Verhandlungsergebnis", der Streik wird "rechtzeitig" vor der Kundgebung in München beendet. Auch bei BSH war der „Kompromiss“ schon vorher fertig, wie hinterher klar wurde. Wochen vorher hatten sich Huber und Kleinfeld in ner Siemensaufsichtsratssitzung abgesprochen. Das Ergebnis: neben den 216 Entlassungen eine 40Std-Woche, Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld, Verzicht auf Tariferhöhung, Standortvereinbarung bis Ende 2010. Dieses Ergebnis gilt nun für alle Metallbetriebe, die Weiße Ware produzieren! Das Thema Boykott wurde unter den BSHlern diskutiert, Problem war, was ist die Alternative.. also was sagen wir, sollen die Leute kaufen.. Miele oder gar AEG?? Also wurde zum Boykott nicht aufgerufen.

Siemens hatte in der Zeit Schiss, schon wegen AEG gingen Marktanteile flöten. Außerdem Korruptionsskandal und BenQ.

Fazit auch hier: Metall waren die Verräter; Arbeitsplätze gehen trotz Kampf verloren oder werden auf Kosten der bisherigen Tarife und Errungenschaften gerettet. Also am Ende ne Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Obwohl BSH ne kämpferische Belegschaft ist, hat Kapital gewonnen und zieht das nun in schwächeren Werken durch.

Es konnte im Stadtteil Spandau keine Solidarität hergestellt werden. Auch nicht bei den anderen Siemensbetrieben dort und auch nicht in anderen BSH-Werken in der Brd.

Bericht über einen Besuch und den Stand bei Nokia/Bochum:

In den 80er Jahren gab es dort kritische Arbeit im Werk. Vor allem seitens der Frauen. (ist aber eh überwiegend Frauenbetrieb). Hohe gewerkschaftliche Organisierung, aber es gab auch in den 80igern schon Schwierigkeiten wenn man nur nen Flugblatt verteilte. Heute keine kritische AArbeit mehr vorhanden.

Auslagerungen und Bedrohungen mit Schließungen etc. hat es dort immer gegeben.

Kampf heute: Es ist nicht gelungen dort in den letzten 20 Jahren eine Gruppe aufzubauen. Die Belegschaft steht heute geschlossen hinter der BR-Vorsitzenden. Alles was von außen an Kritik kommt wird als Spaltung abgetan. (z.B. Besuch von Kollegen, um den BSH-Film zu zeigen; Die GOG hatte Veranstaltung organisiert; es waren keine Nokia-Kollegen gekommen. Also die Metall hat ja den Dix, Ex-BR-Vorsitzender bei AEG Nürnberg und dortiger Streikleiter, nach Bochum geschickt. Der reagierte auf unseren Besuch total zugeknöpft. Die hatten noch nicht mal ihre eigenen IG Metall-Streikbroschüren ausgelegt...). Also es gibt den Eindruck, bloß nicht die Streikfrage aufkommen lassen. Boykottfrage: auch hier, was ist die Alternative, nen Siemens-Handy?? In der Stadt ist quasi der Unmut sichtbarer als im Werk. Also eine Solibewegung würde hier jederzeit aktiv werden, die Opelaner sind z.B. in ner Frühschicht vor Nokia gezogen.... jedenfalls will die Belegschaft schlichtweg nix tun. So wies läuft ist es gut für Metall. (deren Reden und Flugblätter richten sich stark gegen „Heuschrecken“.. Nokia sind die „Ausländer“.... diesen Nationalismus gabs z.B. auch bei AEG (AEG=Deutschland).

Es wurde diskutiert, dass der Eindruck ist, bloß keinen Streik, bloß keinen Sozialtarifvertrag ... auch auf dem Gewerkschaftstag wurden z.B. die betrieblichen Geschichten totgeschwiegen. Gewerkschaftsbürokratie lässt das jetzt komplett fallen, weil entweder wird so ein Sozialtarifvertrag sehr schlecht, oder die Kollegen gehen auf die Palme, wo man sie dann schlecht wieder runter kriegt.

Diskussion:

  • was wir wollen, können wir nur selber tun... Metall macht das nicht mit bzw. hintertreibt das
  • wie die Gewerkschaft zwingen weiter zu kämpfen, wenn das „Ergebnis“ auf dem Tisch liegt
  • gemeinsame Aktionen, Soliarbeit, Vernetzung sehr wichtig; Internationale Solidarität bzw. Soliaktionen über die einzelnen Werke hinaus: bei AEG z.B. kamen erst aus anderen Werken und Betrieben Aufrufe, nachdem die AEGler anfingen einzelne zu veröffentlichen. Dann trudelten erst Protestschreiben etc. aus dem Rest der Republik bzw. der Welt ein.
  • in dem Rahmen: was ist die Funktion eines Kreises wie unseres... Z.B. war auch richtig den BSH-Film gen Bochum zu tragen, die Erfahrungen weiterzugeben.
  • Metall beobachtet genau.. d.h. auch für uns, wie und wo transportieren wir unsere Infos und Erfahrungen
  • bei CNH z.B. wollte die Metall gar keinen Streik, war aber unter Druck (wie ja bei AEG und BSH auch).., also die Widersprüche müssen wir auch versuchen voranzutreiben
  • es ist bei AEG nicht gelungen eine tragfähige Struktur im Betrieb über die Jahre aufzubauen; der Versuch bzw. der Anfang war dann zu spät; Strukturen gezielt und langfristig aufbauen! (Z.B. wie bei DC Marienfelde versucht wird oder Charite; Betriebsgruppen, Betriebszeitungen)
  • was heißt das für BSH z.B.... was machen wir jetzt für den Angriff der spätestens 2010 kommt
  • wie weit mit und wie weit ohne die Gewerkschaften.. also wir ziehen mit ihnen in den Kampf obwohl wir wissen, dass sie uns verraten; was heißt eine eigenständige Organisierung... also wie kommen wir so weit, dass wenn die Gewerkschaften einen Streik abbrechen, dass dann weiter gekämpft/gestreikt wird; Solikassen, Streikkassen....
  • Abfindungen und die soziale Situation hemmen den Kampf; sobald ein Ergebnis da ist, wird die Belegschaft gespalten in Annahme/Ablehnung... Metall drohte z.B. mit „sonst gibt’s kein Geld“
  • Thema Standortsicherung und Nationalismus
  • Boykott als Protest und Widerstandsform
  • Internet/Foren wie z.B: Netzwerk IT, Druckwächter, Bahnerforum gezielter nutzen
  • positiv: in all diesen Auseinandersetzungen läuft auch ein Lernprozess; Einschätzung, dass wir es schon schaffen könnten Netzwerk und Strukturen aufzubauen..organisierter aus unserem Kreis heraus vorgehen
  • betriebliche Verankerung dieses Kreises
  • unterschiedliche Gewerkschaften in einem Betrieb/Kampf und Zersplitterung durch Auslagerung
  • Kämpfe wie Nokia sind überall und kommen ständig...

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