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Chaos, Crashs, Katastrophen und nun Peine

erstellt von Standpunkt-Redaktion — zuletzt verändert: 19.06.2010 02:50
Was auf den Gleisen der Deutschen Bahn steht, und manchmal auch noch fährt, ist schon lange keine tickende Zeitbombe mehr. Es ist längst eine Bombe die an verschiedenen Punkten und zu jeder Zeit zur Explosion kommt. Nur sieht die Öffentlichkeit es oft nicht, weil ihr die Manager der Bahn, die Politiker in den Regierungen von Bund und Länder mit ihrem Bedauern die Augen und Ohren zur Feststellung der tatsächlichen Ursachen zuhalten, bzw. die aufgetretenen Zugkatastrophen als bedauernswerte Unglücke einstufen. Ergebnisberichte und tatsächliche Ursachen kamen und kommen jedoch oft nicht zu Tage, wie die Zugkatastrophen aus Neubeckum, Berlin-Karow oder dem Berliner Biesdorfer-Kreuz zeigen.

 

Die neuerliche Zugkatastrophe, welche sich am 16.06.2010 in Peine ereignete, ist nun eine weitere Eskalation der Zustände bei der Bahn. Nachdem ein Güterzug entgleiste und die entgleisten Waggons in das benachbarte Gleis ragte, fuhr ein entgegenkommender Regionalexpress in die entgleisten Güterwaggons und stürzte daraufhin um. Der Lokführer und Reisende des Regionalexpress wurden verletzt. Zusammenhänge zu anderen Zugunglücken bei der Bahn allein in diesem Jahr sind auch hier nicht zu übersehen. Nur werden sie von der Öffentlichkeit geschickt fern gehalten. Die Untersuchung von Zugunglücken werden längst nicht mehr von unabhängigen Behörden durchgeführt. So geben die staatlichen Untersuchungsbehörden (EUB bzw. EBA) von Zugunglücken die Untersuchungen von betriebsgefährlichen Ereignissen gern an die Betreiber der beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) ab. So kommen auch die Ergebnisse der Untersuchungen nicht weiter als bis zu den Tresor der Manager in den privatwirtschaftlichen Unternehmen. Eines der öffentlich gewordenen Ereignissen mit ihren Ursachen ist die Entgleisung einer S-Bahn in Berlin am 01.Mai 2009. Gerade dorthin weisen Parallelen vom neuerlichen Crash bei der Bahn in Peine.

Fotos aus Peine zeigen deutlich, dass, wie bei der im Jahr 2009 entgleisten S-Bahn in Berlin, offensichtlich ein radialer Radscheibenriss letztendlich zur Katastrophe von Peine führte. Schockierend ist dabei der Umstand, dass zuvor schon Abnormalitäten an dem dann entgleisten Güterzug festgestellt wurden, dieser dann aber trotzdem weiter fuhr, nachdem ein Fahrdienstleiter den Zug anhalten ließ. Dabei war es schon ein günstiger Umstand, dass auf der Strecke zwischen Braunschweig und Hannover noch Fahrdienstleiter vorhanden sind und die Unregelmäßigkeit beobachten konnten. Von den für die DB-Manager personaleffizienten elektronischen Stellwerken können die dort noch vorhandenen Fahrdienstleiter die Züge längst nur noch als Nummern und grüne Striche auf dem Bildschirm sehen. So sollte der Lokführer des in Folge entgleisten Güterzuges beim zusätzlichen Halt auf Weisung völlig allein und bei Dunkelheit die 49 Waggons am Haken der Lok auf eine Unregelmäßigkeit wagentechnisch überprüfen. Obwohl den Lokführern bei der Bahn die spezielle Ausbildung als Wagenmeister, die insbesondere für diese Arbeiten bei der Bahn noch vorhanden und ausgebildet sind, fehlt und ihnen die handwerklichen Mittel dazu nicht zur Verfügung stehen, wurde nach der unzureichenden Untersuchung der Zug wieder auf die Strecke geschickt. Für die Mehrzahl der Zugleiter, Betriebsleiter und Vorgesetzten in den Betriebszentralen gilt nur noch ein Spruch: Die Räder müssen rollen ... für Gewinn, Rendite und Expansion.

Im November 2009 beurteilte der Verband deutscher Verkehrsunternehmen die Weisung des Eisenbahnbundesamt (EBA) für zusätzliche Untersuchungen an Güterwaggons in einer Pressemitteilung noch wie folgt. >> Als „puren Aktionismus“ hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) eine neue Weisung des Eisenbahn-Bundesamts (EBA) bezeichnet. Nach dieser Weisung müssen fast 900 Güterwaggons wegen oberflächlicher Schäden in die Werkstätten. „Das EBA bleibt jeglichen Beweis schuldig, dass Lackschäden oder Kerben an den Waggons zu Unfällen führen“, kritisierte VDV-Geschäftsführer Dr. Martin Henke.<< So kann die Entgleisung von Peine mit ihren Folgen für die betroffenen Reisenden und Eisenbahner nun auch als Beweis für die auf Gewinne und Renditen orientierten Manager in den Verkehrsunternehmen ausreichen.

Jedoch hat ein ausgewiesener Fachexperte, Prof. Vatroslav Grubisic , längst auf die Konstruktionsmängel von Radsätzen hingewiesen. Er lässt das Argument der Materialermüdung genauso wenig gelten wie die Versuche der Bahnindustrie und auch der Deutschen Bahn, die Vorfälle als singuläre Ereignisse hinzustellen, die keine Konsequenzen erfordern. Vielmehr entspreche die Konstruktion der Radsätze nicht mehr den gestiegenen Anforderungen infolge der hohen Geschwindigkeiten und des größeren Gewichts der Fahrzeuge. Aufschlussreich sind auch seine Darstellungen zum Verhältnis der EVU's, Herstellern und staatlichen Kontrolleuren. "Die Hersteller dürfen sich gegenüber der Deutschen Bahn nicht unbeliebt machen", so Grubisic, denn sie warteten immer auf Aufträge. "Die Bahn hat aber die Verantwortung für die Fahrzeuge an die Industrie abgegeben, und die hat sie übernommen und prüft ihre eigenen Produkte!" Den Herstellern fehlen jedoch Fachleute. Publikationen von Fachleuten würden selten gelesen, stattdessen werde am Computer die Zeit vertrödelt. Erfahrungen von Eisenbahnern zähle nun nur noch wenig.

Als die Anwohner an der Bahnstrecke Braunschweig – Hannover unmittelbar nach der Zugkatastrophe von Peine den schwer verletzten Lokführer um Hilfe schreien hörten, war dies erst die wahre Katastrophe für die Anwohner und die Eisenbahner. Anwohner die dankenswerter Weise als Ersthelfer vor Ort waren, um Lokführer und Reisenden zu helfen, berichten nun von mentalen Alpträumen die sie wohl möglich nun für ein Leben lang ertragen müssen. Mit vielen Genesungswünschen und tiefer Betroffenheit fühlen sich bundesweit unzählige Lokführer und andere Eisenbahner vom Zustand ihres Kollegen schockiert. Das die Reisenden des Regionalexpress mit leichten Verletzungen davon gekommen sind, ist dem Umstand geschuldet, dass gegen Mitternacht kaum noch ein Mensch mit der Bahn fährt. Das Unsicherheitsgefühl bei der Bahn hat in vielfacher Weise nicht nur seine Bedeutung, sondern auch seinen Preis gefunden, den letztendlich allein die Reisenden und Eisenbahner zahlen sollen. Fragen sie doch mal den Eisenbahner ihres Vertrauen, ob er ihnen mit ruhigem Gewissen eine sichere Fahrt mit der Bahn garantieren würde. Es wird ihnen danach das Schrecken kommen, das was die Eisenbahner schon lange Zeit jeden Tag mit auf die Fahrt zu ihren 12 – 14 stündigen Diensten nehmen.

Würden die Manager bei der Bahn einen Turban tragen und die privatisierungsfreundlichen Politiker dem Islam angehören, wäre das was in den letzten Jahren, Monaten und Tagen bei der Bahn passiert ein Terroranschlag nach dem anderen. Weil es sich jedoch bei den Zugkatastrophen bei der Bahn "nur" um das Ergebnis der Erhöhung der Produktivität in den Werkstätten und im Betriebsdienst und deren Gewinne zum Vorteil für die Manager in den Bahnunternehmen geht, sind die Terroranschläge der Manager und Politiker auf die Eisenbahner und Reisenden vom Gesetz gedeckt und werden als "Unglücke" abgehandelt. Nur was haben die Einsparungen bei der Sicherheit der Bahn mit Glück oder Unglück zu tun? Sollen die Reisenden und Eisenbahner tatsächlich nur noch von Glück oder Unglück sprechen, wenn sie ihr Ziel erreichen oder auch nicht?

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